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Zwischen Erfolg und Scheitern – Die Ergebnisse der COP27 in Sharm El Sheikh

In den vergangenen Wochen verhandelten politisch Verantwortliche aus rund 200 Ländern über den Schutz des Klimas. Die Diskussionen während der UN-Klimakonferenz (COP27) in Sharm El Sheikh in Ägypten verliefen zäh. Erste vorläufige Ergebnisse zeichneten sich erst am Ende der zweiten Woche, also kurz vor dem eigentlich geplanten Schluss der Verhandlungen ab. Es war daher keine Überraschung, dass die Verhandlungen auch noch am Wochenendes stattfanden. Nach 40 Stunden Verlängerung fiel dann in den frühen Sonntagmorgenstunden endlich der Schlusshammer, der die Abschlusserklärung der diesjährigen Klimakonferenz final bestätigte.

 Wir hatten bereits den gesamten Samstag auf dem Gelände verbracht, die Updates verfolgt und uns mit den anderen noch verbliebenen jungen Menschen versammelt, um den Verhandler*innen zu zeigen, dass wir bis zum Schluss präsent und wachsam sind. Ausgestattet mit Schildern und den von uns geforderten Formulierungen für die Abschlusserklärung positionierten wir uns immer wieder vor den Räumen in denen verhandelt wurde. Währenddessen wurde in den Hallen mit dem Abbau der Länderpavillons begonnen – auf den Straßen häuften sich Kühlschränke, Getränkespender und Stühle. Während sich das Gelände leerte, hörten wir immer wieder von andauernden bilateralen Gesprächen einzelner Länder und kurzfristig verschobenen Verhandlungsrunden. Zu dem Zeitpunkt konnte niemand wirklich sagen, wann die Konferenz zu Ende geht. Es blieb bis zuletzt ungewiss, ob sich die Staaten einigen oder aber die Verhandlungen scheitern lassen würden.

Die Verhandlungen drohten zu scheitern

Die EU hatte am Donnerstag einen Vorschlag zur Einrichtung eines Fonds zur Finanzierung von Schäden und Verlusten vorgelegt – die Forderung der am meisten vom Klimawandel betroffenen Staaten. Im Gegenzug erwartete die EU von allen Staaten verbindliche Zusagen zur Emissionsreduktion, welche sich in einem ambitionierten Arbeitsprogramm zum Klimaschutz widerspiegeln sollten. Noch am Samstagmorgen hatte sich Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission, während einer Pressekonferenz am EU-Pavillon dafür ausgesprochen, am Ende lieber keinen als einen schlechten Deal unterstützen zu wollen. Dies bedeutete indirekt, dass die EU bereit war, die Verhandlungen platzen zu lassen.

 

Kurz nach Mitternacht  – die Konferenz war zu diesem Zeitpunkt schon über 24 Stunden in der Verlängerung  –  verbreitete sich die Nachricht, dass die Einigung zur Finanzierung von Schäden und Verlusten möglicherweise aufgrund eines Prozessfehlers ausbleiben könnte. Scheinbar existierten zwei unterschiedliche Textentwürfe, denen jeweils unterschiedliche Länder zugestimmt hatten. Gleichzeitig zeichnete sich ab, dass einige wenige Länder wie Saudi-Arabien und Ägypten ein ambitioniertes Arbeitsprogramm zum Klimaschutz blockieren würden. Es blieb also bis zuletzt spannend, ob und worauf sich die Staaten einigen würden.

© NAJU | Jan Göldner
© NAJU | Jan Göldner

Das Abschlussplenum, das um drei Uhr am Sonntagmorgen begann, wollten wir uns nach zwei Wochen Konferenz unter herausfordernden Bedingungen nicht entgehen lassen. Nach einer Stunde Schlaf saßen wir zusammen mit den wenigen noch verbleibenden müden, frustrierten und zugleich gespannten Teilnehmer*innen der UN-Klimakonferenz in einem der beiden riesigen Plenarsäle.

Nach nur 20 Minuten wurde die Sitzung dann zum ersten Mal für eine halbe Stunde unterbrochen. Der Grund: Die COP-Präsidentschaft hatte den Entwurf der sogenannten Mantelentscheidung, im Englischen „Cover Decision“, erst kurz vor Beginn der Abschlusssitzung vorgelegt; die Staaten hatten damit im Vorfeld keine Gelegenheit diese zu sichten.

Der restliche Teil der Sitzung verlief allerdings überraschend unspektakulär und wirkte fast schon inszeniert. Ohne weitere Unterbrechungen ging es weiter. Bereits im Vorfeld hatte die ägyptische COP-Präsidentschaft jedoch durch bilaterale Gespräche sichergestellt, dass im Abschlussplenum kein Land größere Einwände erheben würde.

© NAJU | Jan Göldner
© NAJU | Jan Göldner

In einem Marathon von monotonen Hammerschlägen stimmten die Verhandler*innen jedes Ergebnis der einzelnen Unterverhandlungsgruppen ab. Nacheinander wurden die einzelnen Tagesordnungspunkte der vergangenen zwei Wochen Konferenz verlesen. Mit dem Satz „If there are no objection, it is so decided.“, was im Deutschen so viel heißt wie „Wenn es keinen Einspruch gibt, dann ist dies beschlossen.“, und  einem Hammerschlag wurden diese verabschiedet. 

Am Ende durften die einzelnen Ländergruppen sowie Konstituierungen kurze Statements zu den Ergebnissen abgeben. Dass die EU am Ende nicht zufrieden mit dem Endergebnis der Konferenz ist, hat Frans Timmermans in seinem Statement deutlich gemacht.

Die Mehrheit äußerte sich allerdings sehr positiv: Ägypten habe eine COP der Implementierung versprochen und auch geliefert, so ein Land in seinem Statement. Aus unserer Perspektive hat die diesjährige Klimakonferenz fatalerweise eine der letzten Chancen verpasst, die zukünftige Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. 

Durchbruch bei Finanzierung von Schäden & Verlusten

Am Ende dieser COP sind insbesondere zwei Resultate von großer Bedeutung: Nachdem reiche Industriestaaten 30 Jahre Entscheidungen zur Finanzierung von Schäden und Verlusten blockiert hatten, gilt die Einigung zur Errichtung eines Fonds – insbesondere für die Staaten, die besonders von den Folgen des Klimawandels betroffen sind – als historisch. Obwohl fundamentale Fragen zur Struktur, der Finanzierungsart und des Zugangs ungeklärt bleiben, sendet diese Einigung erstmals immerhin das Signal, dass Länder sich ihrer finanziellen Verantwortung für Klimawandelschäden und -verluste stellen. 

Keine Fortschritte bei Emissionsminderung

Doch der Einigung auf Finanzierung von klimawandelbedingten Schäden und Verlusten stehen die fehlenden Fortschritte in der Emissionsreduktion gegenüber. Die Abschlusserklärung gleicht an dieser Stelle der von Glasgow: Es ist lediglich von einem Herunterfahren von Kohle, aber keinem zeitlich datierten Ausstieg die Rede, Öl und Gas werden gar nicht erwähnt, der Zeitraum zur weiteren Nutzung von nuklearer Energie wurde ebenfalls offengelassen. Die COP-Präsidentschaft hat in dem finalen Entwurf zudem Carbon Capture Storage (CCS)-Technologien als Emissionsreduktionsmöglichkeit mit in die Abschlusserklärung aufgenommen. Das erhoffte klare Bekenntnis zum Ausstieg aus allen fossilen Energien, das für die Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels dringend nötig gewesen wäre, bleibt also aus. Wir erfuhren, dass über 80 Länder, Indien inklusive, den Ausstieg aus allen fossilen Energieträgern gefordert hatten. Am Ende waren es Länder wie Saudi-Arabien und Ägypten selbst, die dies erfolgreich verhindern konnten. 

Mangelnder Bezug zur Biodiversitätskrise

Ebenfalls gravierend ist der mangelhafte Bezug zur Biodiversitätskrise. Bereits in den ersten Konferenztagen wurden vom Climate Action Network (CAN) konkrete Vorschläge ausgearbeitet, um den Zusammenhang zwischen Biodiversitäts- und Klimakrise in der Abschlusserklärung deutlich zu machen. Davon hat es jedoch nur ein Bruchteil in die abschließende Erklärung geschafft. Das Zusammendenken der beiden Krisen, insbesondere in der Ausgestaltung von Maßnahmen wird nur in einem Nebensatz erwähnt und nicht weiter ausgeführt. Zugleich besteht kein Bezug zu der anstehende UN-Biodiversitätskonferenz in Montreal. Naturschützer*innen hatten erhofft, dass die Klimakonferenz einen Text verabschiedet, in dem nochmal die Bedeutung dieser anstehenden Konferenz deutlich wird. Leider fehlt diese Erwähnung komplett.

© NAJU | Jan Göldner
© NAJU | Jan Göldner

Die Staaten einigten sich in Sharm El Sheikh auf die Finanzierung der Symptome des Klimawandels, die Ursachen aber werden nicht bekämpft. Ohne ambitionierte Emissionsreduktion tragen die Staaten weiterhin ungebremst zur Entstehung zukünftiger Schäden und Verluste bei, die mit keinem Geld der Welt kompensiert werden können. Die Einigung im Bereich Schäden und Verluste ist daher nur ein erster Schritt. Um ihr Glaubwürdigkeit beizumessen, müssen sich die Staaten zum einen auf eine verbindliche Finanzierung einigen. Zum anderen sind die schnelle Reduktion von Emissionen, die Verbesserung der Anpassung an den Klimawandel und die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad unabdingbar, um weiteren klimawandelbedingten Schäden und Verlusten vorzubeugen. Die Staaten müssen in den kommenden Monaten also ihre nationalen Minderungsziele anpassen, den Ausstieg aus allen fossilen Energien voranbringen und ihre Mittel zur Klimafinanzierung deutlich erhöhen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir alle Druck auf die Verantwortlichen in der Politik ausüben!

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