Bereits seit Jahrzehnten warnt die Wissenschaft vor den katastrophalen Folgen der Klimakrise. Im massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien sieht sie zugleich die einzige wirkliche Möglichkeit,
die Treibhausgasemissionen auf ein Niveau zu senken, welches mit dem im Pariser Abkommen festgelegten 1,5°C Ziel vereinbar ist. Der zu verurteilende russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat
nun erneut deutlich gezeigt, wie stark Deutschland und Europa nach wie vor von fossilen Energieträgern abhängig sind. In der Vergangenheit überwog eine geringe politische Motivation sowie eine
zögerliche Haltung von Zivilgesellschaft und Wirtschaft gegenüber dem Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE).
Daher scheint es nun fatalerweise alternativlos, Kohlekraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen, neue Lieferverträge für fossile Energieträger abzuschließen und über Laufzeitverlängerungen von
Atomkraftwerken zu debattieren. Diese Maßnahmen zur Sicherstellung der kurzfristigen Energieversorgung müssen nach einem möglichst kurzen Zeitraum der Überbrückung rückgängig gemacht werden.
Statt die schwerwiegenden Fehler der Vergangenheit zu wiederholen, die uns in diese bedrohliche Lage geführt haben, brauchen wir jetzt ein entschlossenes, gemeinsames Handeln. Das aktuelle
Momentum muss genutzt werden, um den Ausstieg aus fossiler Energie schnellstmöglich zu vollziehen und damit weitere unumkehrbare Gefahren für zukünftige Generationen sowie Natur und Umwelt
abzuwenden.
Die NAJU fordert alle, insbesondere die dem EE-Ausbau kritisch gegenüberstehenden Akteur*innen auf, sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zu stellen. Das bedeutet, lösungsorientiert und
sofort zu handeln. Die Bedrohung durch die Artenkrise darf nicht gegen die der Klimakrise ausgespielt werden.
Die NAJU unterstützt die Forderung der deutschen Klimaneutralität bis 2035, die sich aus dem von Wissenschaftler*innen berechneten, global gerechten CO2-Restbudget ergibt. Damit einher geht die
Notwendigkeit, den jährlichen Ausbau von Erneuerbaren Energien in Deutschland zu verdrei- bis zu verfünffachen.[1] Damit dies gelingt, ist eine deutliche Steigerung der Anzahl an On- und
Offshore-Windenergieanlagen sowie die Förderung weiterer regenerativer Energiequellen in ganz Deutschland unabdingbar.[2]
Längst ist wissenschaftlich belegt: Klimawandel und Artensterben sind keine getrennten Krisen, sondern zusammenhängende Zwillingskrisen. Wir können beide Krisen nicht singulär – ohne die andere
zu betrachten – lösen. Die bereits spürbaren und noch prognostizierten Auswirkungen des Klimawandels stellen eine der größten Bedrohungen der Biodiversität und somit unserer Lebensgrundlage
dar.[3]
Auch im Sinne des Naturschutzes fordern wir einen schnellen, konsequenten und gesteuerten EE-Ausbau inklusive Windenergieanlagen. Das Bestreiten des Klagewegs sollte daher nur in absoluten
Ausnahmefällen in Erwägung gezogen werden.
Unter Berücksichtigung dieses Aspekts zeigt sich die NAJU als Naturschutzorganisation in der Diskussion um die Umsetzung der notwendigen Ausbauziele kompromissbereit und tritt unter
Berücksichtigung von Alter-nativmöglichkeiten beratend auf. Um den erforderlichen Ausbau der EE zu schaffen, ist es notwendig, von einer rein naturschutzfachlichen Betrachtung abzuweichen und
sich primär an dem übergeordneten Ziel, dem globalen Erhalt der Biodiversität und den dafür essenziellen Klimaschutzmaßnahmen, zu orientieren.
Dazu gehört, dass beispielsweise die Gefährdung von Arten durch Windenergieanlagen stärker anhand der Gefährdung der gesamten Population und weniger anhand einzelner Individuen zu beurteilen ist.
Die Ausweisung der bundesgesetzlich vorgeschriebenen zwei Prozent der Bundesflächen für die Windenergie muss schnellstmöglich, koordiniert und naturverträglich durch die Länder erfolgen. Die NAJU
fordert die Ausweisung weiterer Flächen für den Bau von EE-Anlagen. Hierfür sollten auch Wald- und Kalamitätsflächen in die Standortsuche miteinbezogen werden, sofern entsprechende Kriterien des
Naturschutzes Beachtung finden.
[1] Vgl. Wuppertal Institut (2020). CO2-neutral bis 2035: Eckpunkte eines deutschen Beitrags zur Einhaltung der 1,5-°C-Grenze. Bericht. Wuppertal. S. 10, 14.
Beschlossen auf der Bundesdelegiertenversammlung der NAJU am 24. September 2022 in Weimar.