Die NAJU (Naturschutzjugend im NABU e.V.) fordert die Absenkung des aktiven
Wahlrechts auf 0 Jahre. Kinder und Jugendliche dürfen ab dem Zeitpunkt wählen gehen, ab dem sie sich
aktiv dafür entscheiden und selber in der Lage sind die Wahl auszuführen.
Demokratisches Grundrecht
Unser demokratisches System beruht auf dem Grundsatz der Allgemeinheit, was bedeutet, dass die politische Vertretung des Staates erst legitimiert ist, wenn alle Staatsangehörigen wählen können. “Die Statusgleichheit sämtlicher Angehöriger des Staatsvolkes ist also konstituierend für die Qualifizierung als ‘demokratisch’” (Merk 2009, S.533). Auch Kinder und Jugendliche sind Angehörige des Staates, da sie ab der Geburt rechtsfähig sind. Deshalb haben sie auch ein Grundrecht auf aktive Wahl.
Generationengerechtigkeit
Unsere Gesellschaft wird durch den Generationenvertrag in drei Generationen unterteilt, die alle voneinander abhängig sind. Allerdings können diese momentan nicht gleichberechtigt für ihre Bedürfnisse eintreten. Die jüngere Generation und die ältere Generation sind finanziell abhängig von der mittleren Generation, da diese das Einkommen erzielt, von dem ein Teil den Unterhalt der anderen Generationen sichert. Auf politischer Ebene ist es jedoch nur für die ältere Generation möglich, sich für ihre Anteile an diesem Kuchen einzusetzen. Die jüngere Generation hingegen hat kaum Möglichkeiten, auf formalem Wege für ihre Bedürfnisse einzustehen. Durch die Absenkung des aktiven Wahlrechts auf 0 Jahre bekommt auch die Stimme der jungen Generation ein politisches Gewicht, denn Wählerstimmen sind, was die Politik am meisten beeinflusst.
Zukunft
Kinder und Jugendliche haben noch mindestens zwei Drittel ihres Lebens vor sich. Darum müssen sie sich mehr Gedanken über die Zukunft machen, als die anderen Generationen. Auf politischer Ebene werden Tag für Tag Entscheidungen getroffen, die die Zukunft und somit vor allem das Leben der jüngeren Generation beeinflussen. Auch die Konsequenzen des Nicht-Handelns auf politischer Ebene spürt am Ende die jüngere Generation. Deshalb ist es irrational, die Generation, die am meisten Interesse an der Zukunft hat, von deren politischer Gestaltung auszuschließen. Durch das Wahlalter 0 würde für die Politik eine neue Zielgruppe relevant, für die sie aktiv Politik machen müsste, um von ihr gewählt zu werden. “Ihre Einbeziehung in die politische Repräsentation erweitert den Entscheidungshorizont der politisch Verantwortlichen in die Zukunft [...]” (Merk 2009, S.536)
Mündigkeit
Seit der Bildung des Mündigkeitsbegriffes hat sich stets gewandelt, welche Mitglieder der Gesellschaft von dieser als mündig betrachtet wurden. Mit der Absprache der Mündigkeit geht in der Regel eine strukturelle Diskriminierung anhand von außen zugeschriebener Merkmale einher.
Ein Beispiel für eine solche Diskriminierung findet sich in der Historie der Frauenrechte: Hierzulande wurde das Wahlrecht für Frauen 1918 eingeführt. Zuvor wurden sie aufgrund einer Unmündigkeitsbehauptung, die auch danach weiter propagiert wurde, von der Teilhabe ausgeschlossen. In der Schweiz konnten Frauen sogar erst 1971 abstimmen. In der BRD dauerte es bis 1977, bis Frauen arbeiten durften, ohne dass ihr Mann ihnen dieses Recht verwehren konnte. Ein anderes Beispiel ist bei der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung zu finden: 2019 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass Menschen in Betreuung und solche in einer psychiatrischen Einrichtung nicht pauschal vom Wahlrecht ausgeschlossen werden dürfen. Junge Menschen werden in Deutschland unter Absprache ihrer Mündigkeit jedoch bis heute massiv diskriminiert. Oft scheint es, sie werden – wie damals die Frauen – als eine Form des Eigentums betrachtet, über die ein Vormund frei zu verfügen hat.
Auch junge Menschen sind bereits vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft. Bei der NAJU sind wir überzeugt: Die Mündigkeit einer Person lässt sich nicht allein an ihrem Alter festmachen. Junge Menschen sind nicht erst mit der Volljährigkeit in der Lage, ohne Hilfe von Älteren alleine zu überleben und für sich selbst zu sorgen (Bogin 1999). Der Zeitpunkt, ab dem das möglich ist, ist individuell unterschiedlich. Es ist jedoch nicht möglich, pauschal von außen zu bestimmen, wann dieser Zeitpunkt eintritt. Darum ist die demokratische Gesellschaft darauf angewiesen, dass junge Menschen selbst einschätzen müssen, wann sie bereit sind, ihre demokratischen Mitbestimmungsrechte wahrzunehmen. Sie sollen, wie jede*r andere Bürger*in das Recht erhalten, selbst zu entscheiden, wann sie bereit und willens sind, über ihre Zukunft zu entscheiden.
Bildung
Das aktive Wahlrecht kann und darf aber nicht alleine stehen. Ebenso wichtig ist es dann, die demokratisch-politische Bildung der Kinder und Jugendlichen in allen Bildungsbereichen auszubauen. Nur mit ihrem Alter gerecht vermittelten Informationen über das politische System und aktuelle Themen und Entscheidungen können Kinder und Jugendliche eine reflektierte Entscheidung treffen. Um dabei auch alle gleichermaßen zu erreichen, ist es wichtig die Bildung in formalen Bildungseinrichtungen, die alle besuchen, auszubauen.
Beschlossen am 06.02.2021
Bogin, B. (1999). Patterns of human growth (2nd ed). Cambridge University Press, Vol. 23.
Krüger, Thomas und Dominik Bär. (2014). Warum sich der Streit um das Wahlrecht für Kinder lohnt.
Wahlrecht für Kinder? Politische Bildung und die Mobilisierung der Jugend: 10-23.
Merk, K.-P. (2009). Das Wahlrecht von Geburt an und seine politische Bedeutung. Diskurs Kindheitsund Jugendforschung / Discourse. Journal of Childhood and Adolescence Research, 4(4),
525-538.
https://nbnresolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-335102