NAJU-Position zur Agrarwende

Mehr als die Hälfte der Gesamtfläche Deutschlands wird landwirtschaftlich genutzt [1]. Unser Kultur- wie auch Naturraum ist maßgeblich dadurch geprägt. Einige Tier- und Pflanzenarten haben sich sogar auf den vom Menschen gestalteten Lebensraum spezialisiert. Wir beobachten allerdings aktuell einen massiven Rückgang genau dieser Arten im landwirtschaftlich genutzten Raum. Die derzeitige Form der Landwirtschaft 

trägt maßgeblich zur Biodiversitätskrise bei. Gleiches gilt für die Klimakrise: Die durch die Landnutzung entstehenden Treibhausgase machen weltweit circa 22 Prozent der menschengemachten Treibhausgasemissionen aus [2].

 

Im Umkehrschluss lassen sich im Bereich der landwirtschaftlichen Praxis etliche Ansatzpunkte ausmachen, anhand derer den beiden Zwillingskrisen begegnet werden kann. Die aktuelle Herausforderung besteht darin, die Nutzung der begrenzten Fläche sowie der begrenzten Ressource Boden so zu gestalten, dass sowohl Biodiversitätsschutz und Klimaschutz als auch die Ernährungssicherung berücksichtigt werden.

 

Die NAJU fordert die Wende hin zu einer ökologisch orientierten, nachhaltigen und fairen Landwirtschaft, die im Interesse heutiger und zukünftiger Generationen einen bedeutsamen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität und zur Reduktion der Treibhausgasemissionen leistet, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten.

 

Daher fordern wir als NAJU:

 

  1. Die Förderung von Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität auf agrarwirtschaftlich genutzten Flächen.
  2. Verstärkte Maßnahmen zur Förderung der Bodengesundheit.
  3. Die kooperative Entwicklung von Schutzzielen für den Erhalt der Biodiversität.
  4. Gentechnik nur unter Anwendung einer umfassenden Risikoprüfung zuzulassen und gentechnikfreie Erzeugung zu sichern.
  5. Die Reduktion des Düngereinsatzes.
  6. Einen deutlich sichtbaren Beitrag der Landwirtschaft an der Energiewende.
  7. Eine deutliche Senkung der Tierbestände zugunsten der artgerechten Tierhaltung und des Klimaschutzes.
  8. Die angemessene finanzielle Förderung nachhaltiger Anbauweisen.
  9. Die Förderung einer regionalen, nachhaltigen Landwirtschaft und kleinbäuerlicher Strukturen sowie die Unterstützung von Junglandwirt*innen.
  10. Eine gestaffelte Mehrwertsteuer mit Unterscheidung zwischen pflanzlichen und tierischen Produkten sowie zwischen Bio- und konventioneller Produktion.
  11. Die Konkretisierung der Bezeichnung „gute fachliche Praxis“ in allen betroffenen Gesetzen.
  12. Eine Reduktion der Anzahl an Biosiegeln und eine Präzisierung der Vergabekriterien im Sinne der um-fassenden Transparenz gegenüber den Verbraucher*innen.
  13. Innovative Landnutzungsformen/alternative Anbauformen stärker in den Fokus zu nehmen.

Erläuterung und Begründung unserer Forderungen

 

  1. Biodiversität ist zentral für die Stabilität, Produktivität und Resilienz von Ökosystemen [3,4]. Kulturflächen sind Lebensräume diverser Arten. Aufgrund der Bearbeitungsformen und des Verlusts von Strukturelementen in den letzten Jahrzehnten ist die Biodiversität auf diesen Flächen enorm zurückgegangen: Der Insektenschwund schreitet weiter voran. So nahm die Insektenbiomasse in bewirtschaftetem Grünland allein zwischen 2008 und 2017 um 67 Prozent ab [5]. Auch der Vogelbestand nahm seit 1980 im Ackerland ausgesprochen stark ab. So gibt 57 Prozent weniger Individuen zwischen 1980 und 2016 [6]. Einzelne Arten wie Kiebitz, Rebhuhn oder Feldlerche sind davon besonders betroffen. Zum Erhalt dieser gefährdeten Arten sowie zur Förderung der Biodiversität sind gezielt eingesetzte Schutzmaßnahmen nötig, die die Vorgaben der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) teils übersteigen. Dazu zählen beispielsweise die Extensivierung von Äckern, Wiesen und Weiden, die Anlage von Brachflächen, Ackerrand-, Blüh- oder Altgrasstreifen, aber auch speziell auf Arten angepasste Maßnahmen wie bspw. Lerchenfenster, Kiebitzinseln, Rebhuhn-Lebensraumkomplexflächen oder eingezäunte Feuchtgebiete  [7]. Auch eine Reduktion des Pestizideinsatzes muss damit einhergehen, eine Halbierung bis 2030 ist anzustreben  [8]. Die Pflanzung von Gehölzen und Hecken und das Einrichten von Kleinstrukturen wie Trockenmauern erhöhen zudem die Strukturvielfalt und bieten somit Lebens- und Rückzugsräume. Ein vielversprechender Ansatz zur Förderung der Biodiversität sind überdies Agroforstsysteme. Sie sind zusätzlich der Bodengesundheit, dem Erosionsschutz sowie dem Klimaschutz zuträglich [9,10] .
  2. Neben dem Schutz der Biodiversität auf den agrarwirtschaftlichen Nutzflächen muss auch die Bodenbiodiversität und damit der Schutz der Bodengesundheit in den Fokus rücken. Insbesondere der Einsatz schwerer Maschinen sowie die übermäßige Nutzung von Pestiziden und Dünger führte und führt weiterhin zu einer Verschlechterung der wirtschaftlich genutzten Böden durch Verdichtung und Verringerung der mikrobiellen Vielfalt  [11,12]. Mikroben und Pilze machen Nährstoffe für Pflanzen verfügbar und unterstützen diese bei der Aufnahme von Nährstoffen. Die Verschlechterung der Bodengesundheit hängt damit direkt mit der menschlichen Gesundheit und der Ernährungssicherheit zusammen: Pflanzen, die weniger (Mikro-)Nährstoffe enthalten, führen zu einer Unterversorgung und „verstecktem Hunger“ [13,14]. Bodenlebewesen sorgen außerdem für den Aufbau von wertvollem Humus aus organischem Material. Die Erhöhung des Humusgehaltes ist nicht nur für den Nährstoffgehalt des Bodens, sondern auch für dessen Wasserspeicherkapazität förderlich. Diese wiederum ermöglicht neben einer erhöhten Widerstandsfähigkeit gegenüber Trockenphasen auch die Abpufferung von Überflutungen und die Kühlung der Ökosysteme. Zudem ist Humus ein wichtiger Kohlenstoffspeicher (s.u.). Wir fordern die Stärkung von Maßnahmen, die die Bodengesundheit und den Aufbau von Humus fördern, bspw. vielfältige Fruchtfolgen, Reduktion von synthetischen Pestiziden und Dünger, sowie Zwischenfrüchte. Äcker sollten das ganze Jahr bewirtschaftet werden, da Pflanzen den Boden durch Beschattung vor Austrocknung bewahren, CO2 speichern [15] , die Erosion bei Starkregen minimieren [16] und die Umgebung durch Blattverdunstung kühlen. Um die Bodengesundheit zu fördern, gehört auch dazu, das Bodenleben zu unterstützen und folglich den Ackerboden möglichst selten zu bewegen, da man dabei die Gänge von Bodenlebewesen – zum Beispiel von Regenwürmern – zerstört [17]. Da diese Maßnahmen vor allem im ökologischen bzw. regenerativen Sektor umgesetzt werden, gilt es, diese landwirtschaftlichen Formen auszuweiten und finanziell zu unterstützen sowie Aspekte derselben in der konventionellen Landwirtschaft zu integrieren.
  3. Landwirt*innen leisten einen wichtigen Beitrag für Naherholung, Tourismus und Landschaftsästhetik. Ohne sie wären viele Orte kein Landschaftsschutzgebiet, Vogelschutzgebiet oder ähnliches. Schon des-halb werden Schutzziele am besten gemeinsam von Naturschutz und Landwirtschaft entwickelt. Im „Baden-Württembergischen Weg“ wurden aus einem runden Tisch mit Vertreter*innen von Natur-schutz- und Landwirtschaftsverbänden Eckpunkte für eine Novelle des Artenschutzgesetzes entwickelt, welches im Anschluss vom Landtag beschlossen wurde. Einen solchen „kooperativen Naturschutz“, bei dem Vertreter*innen aus verschiedenen Bereichen und Generationen gemeinsam Ziele für den Biodiversitätsschutz entwickeln, wünschen wir uns überall.
  4. Die neue Gentechnik (NGT), wie beispielsweise CRISPR/Cas, bietet als technologische Errungenschaft etliche Chancen. Im landwirtschaftlichen Bereich zählen dazu etwa die Entwicklung von Sorten, die widerstandsfähiger gegenüber Krankheiten oder resilienter gegenüber Trockenheit oder anderen Folgen des Klimawandels sind. Die derzeitige Forschung zielt allerdings häufig auf agrarökonomische Vorteile oder Lifestyle-Eigenschaften ab [18]. Risiken des Einsatzes der NGT sind negative Effekte auf die Biodiversität. Beispielsweise kommen durch die Entwicklung Herbizid resistenter NGT-Pflanzen vermehrt Breitbandherbizide zum Einsatz. Zusätzlich ist zur NGT noch weiterer Forschungsbedarf vorhanden, da weitere Risiken und Folgen noch nicht genau abgeschätzt werden können [19]. Letztlich werden durch den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen nur die Symptome der strukturellen Probleme behandelt, die durch die aktuelle Form landwirtschaftlicher Praxis entstehen. Wir fordern, dass im Sinne des Vorsorgeprinzips das Zulassungsverfahren inklusive einer Risikoprüfung für die Zulassung gentechnisch veränderter Organismen verpflichtend bleibt [20]. Die Kennzeichnung des Endproduktes (nicht nur des Saatgutes) muss zur Wahrung der Wahlfreiheit gewährleistet sein. Die Entwicklung gentechnisch veränderter Organismen für die landwirtschaftliche Nutzung muss gemeinwohl- und forschungsorientiert sein. Es darf durch die Ausgabe von Patenten keine Abhängigkeit von großen Konzernen entstehen.
  5. Der Ausstoß von Ammoniak in der Landwirtschaft und Nutztierhaltung führt zu einem Nährstoffeintrag in mitunter entfernten Lebensräumen über die Luft [21].  Insbesondere die Artengemeinschaft in sonst nährstoffarmen Ökosystemen wird dadurch beeinträchtigt. Ammoniak führt überdies zu Feinstaubbildung in der Luft. Bei übermäßiger Düngung kann außerdem Nitrat ins Grundwasser ausgewaschen werden und dieses belasten. Deutlich wird die Problematik anhand des Konzepts der Planetaren Grenzen [22]: Im Bereich des Stickstoffkreislaufes ist die ökologische Belastbarkeitsgrenze mit einem „hohe[n] Risiko gravierender Folgen“ bereits stark überschritten.
  6. Durch ihre Struktur und die Menge der ausgestoßenen Treibhausgase trägt auch die Landwirtschaft erheblich zum Klimawandel bei. Im Umkehrschluss besteht in diesem Sektor großes Potential für Einsparungen klimaschädlicher Emissionen. Gleichzeitig kann die Landwirtschaft zu einer erfolgreichen Energiewende beitragen. Ein Weg wäre dabei die vermehrte Nutzung verschiedener Arten organischer Dünger bzw. Gründünger und die Mischformen aus diesen. Dadurch würde sich der Anteil des durch das Haber-Bosch-Verfahren produzierten Ammoniaks für die landwirtschaftliche Nutzung reduzieren, welches für 1,4 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich ist [23]. Auch könnte eine konsequente weitere Verwertung von Gülle und organischen Abfällen im Agrarsektor zur Biomethan- und Gasproduktion beitragen. Ökologisch gestaltete Freiflächen-Photovoltaikanlagen können einen Beitrag zur Energiewende leisten, wenn diese auf Flächen errichtet werden, die nicht für die Nahrungsproduktion genutzt werden. Weiteres Potential bietet eine Mischnutzung von geeigneten Flächen durch sogenannte „Agri-PV-Anlagen“. Bei der Errichtung von PV-Anlagen muss grundsätzlich die Prämisse gelten, dass diese priorisiert auf bereits versiegelten Flächen erreichtet werden sollten. Da-bei sollte die Nahrungsmittelproduktion Vorrang vor der Energiegewinnung haben  [24].
  7. Ein großer Teil der Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft entsteht durch die konventionelle Fleischproduktion (durch Landnutzung, Düngung, Verdauung der Tiere, Produktionsketten)  [25]. Der Weltklimarat (IPCC) sieht daher eine Reduktion des Fleischkonsums als einen der wirksamsten Faktoren bei der Einsparung von Treibhausgasen. Mit der Abkehr von industrieller Fleischproduktion werden zudem große Flächen, die für Futtermittel genutzt wurden, für den Anbau pflanzlicher Nahrungsmittel frei, so-dass sich ein wichtiger Schritt in Richtung weltweiter Ernährungssicherheit sowie gesünderer Ernährung ergibt. Nicht zuletzt sprechen wir uns entschieden für höhere Tierwohlstandards aus, die durch eine Tierwohlabgabe finanziert werden können. Zusätzlich würden hiermit weniger Antibiotika bei den Tieren eingesetzt werden, wodurch Resistenzen der Bakterien und Infektionsherde minimiert werden. Die Ausweitung extensiv genutzter Flächen in Deutschland darf nicht dazu führen, dass Nahrungsmittel vermehrt aus anderen Ländern importiert werden und dort unter weniger guten Bedingungen für die Biodiversität produziert werden. Naturschutz in der Landwirtschaft muss auch deshalb damit einhergehen, Fleischkonsum und -produktion zu reduzieren, um die Flächen für die Nahrungsmittel- und nicht für die Futtermittelproduktion nutzen zu können. Eine Halbierung des Fleischkonsums würde dazu beitragen, die Konkurrenz zwischen Produktion und Naturschutz auf landwirtschaftlich genutzten Flächen zu verringern [26].
  8. Die Agrarsubventionen der EU sind ineffizient, ungerecht und in großen Teilen umweltschädlich.  Ein überwiegender Anteil wird mittels pauschaler Flächenprämien ohne konkrete Gegenleistung gezahlt [27]. Dadurch produzieren Landwirt*innen möglichst intensiv und wenig naturverträglich. Daher sollte die Basisprämie bedarfsgerecht gekürzt und die dadurch freiwerdenden Mittel in biodiversitätsfördernde Maßnahmen investiert werden. Darüber hinaus sollten umweltbezogene Maßnahmen besonders entgolten werden und ökologische Minimal-Regelungen bei allen Anbauweisen verpflichtend sein. Dabei müssen auch neuere Anbauweisen, wie zum Beispiel Agroforst (aktuell bei einem Prozent der Anbauweisen) unterstützt werden und andere bei der GAP aufgenommen werden.
  9. Landwirtschaftliche Erzeugnisse sind durch viele Faktoren einem Preisdruck ausgesetzt. Dadurch wird es vielen Landwirt*innen erschwert, nachhaltig zu wirtschaften. Einerseits ist durch wechselnde Subventionen und der Abhängigkeit davon die Planungssicherheit kaum gewährleistet. Die Landwirt*innen haben, je nach Produkt, keine Möglichkeit einen fairen Erzeuger*innenpreis zu verlangen. Das Angebot übersteigt deutlich die Nachfrage und durch preisbewusstes Einkaufsverhalten ist die Produktion ohne Subventionen nicht kostendeckend [28]. Daher fordern wir verbindliche Absprachen zur Preisgestaltung analog zum Artikel 148 GMO. Derzeit besteht zudem die Problematik, dass finanzstarke (inner- und außerlandwirtschaftliche) Konzerne insbesondere durch Anteilskauf Agrarbetriebe und        -flächen erwerben, wobei sie das Vorrangrecht landwirtschaftlicher Betriebe beim Direktkauf von Land umgehen. Kauf- und Pachtpreise steigen [29] und sind für durchschnittliche, regional ansässige, kleinbäuerliche Betriebe und insbesondere Junglandwirt*innen nicht mehr innerhalb einer Generation zu erwirtschaften. Viele und vielfältige landwirtschaftliche Betriebe zu erhalten ist allerdings unerlässlich. Deshalb schließen wir uns den Forderungen der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft an: Der Einfluss außerlandwirtschaftlicher Investoren sollte durch Agrarstrukturgesetze eingeschränkt und kontrolliert werden [30]. Die Verpachtung muss sich am Gemeinwohl orientieren [31]. Ebenso unterstützen wir eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer bei erhöhtem Landbesitz [32]. Diese Maßnahmen würden zu Förderung von Junglandwirt*Innen, einer Dezentralisierung des Agrarsektors und höheren Steuereinnahmen führen.
  10. Auf Basis der Ergebnisse der Zukunftskommission Landwirtschaft fordern wir eine Abschaffung der Mehrwertsteuer auf pflanzliche Grundnahrungsmittel in Bioqualität [33]. Für tierische Bio-Produkte sowie konventionell produzierte pflanzliche Grundnahrungsmittel soll ein reduzierter Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent greifen, wohingegen für konventionell produzierte tierische Produkte und sonstige Nicht-Grundnahrungsmittel der Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent gelten soll. Dies trägt dazu bei, die wahren Kosten von Lebensmitteln realistischer abzubilden. Zusätzlich werden Anreize für eine klimafreundliche und gesunde Ernährung geschaffen. Außerdem stellt diese Maßnahme sicher, dass ökonomisch schwächer gestellte Menschen sich vollwertig und sicher ernähren können. Ebenso wäre ein sozialer Ausgleich z.B. in Form eines Klimageldes sinnvoll.
  11. Die „gute fachliche Praxis“ taucht – in vielen Bereichen nicht näher definiert - in diversen Gesetzen auf. Dort beschreibt sie die Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen sowie nach aktueller Gesetzeslage, die die langfristige Nutzbarkeit der Standorte erhält [34]. Grundsätzlich halten wir eine offene Formulierung für positiv, denn so können individuelle, sinnvolle Maßnahmen getroffen werden. Allerdings ist die Arbeit nach „guter fachlicher Praxis“ eine selbstverständliche Basis, an die sich jeder Mensch im Beruf zu halten hat. Sie darf also nicht als grundsätzliche Rechtfertigung oder sogar Greenwashing genutzt werden und sollte folglich auch in betroffenen Gesetzen konkretisiert werden.
  12. Viele Nahrungsmittel sind mit Qualitätssiegeln gekennzeichnet. Die Vielzahl geschützter und ungeschützter Siegel auf Nahrungsmitteln sorgt für Intransparenz und Verunsicherung [35]. Es kann von Kund*innen nicht verlangt werden, dass diese viel Zeit mit Recherche verbringen, um sich einen Über-blick über die diversen Siegel und ihre Kriterien zu machen. Stattdessen muss es möglich gemacht wer-den, sich auf einen Blick bereits beim Kauf des Produktes ausreichend über die Standards des Produktes informieren zu können. Daher fordern wir eine übersichtliche EU-weite Siegellandschaft, die Regionalität und Fairtrade fördert, sowie eine regelmäßige Nachschärfung der Qualitätsstandards, vor allem des EU-Bio-Siegels, das aktuell als Orientierungsgrundlage dient.
  13. Alternative Anbauformen in Städten wie z.B. Urban Farming [36], Vertical Farming [37]oder Aquaponic [38] müssen weiter wissenschaftlich begleitet und gefördert werden, um hier zeitnah kosten- und raumeffiziente Ergänzungen zur konventionellen Produktion auf der Fläche zu schaffen. Landwirtschaft in der Stadt hat insbesondere den Vorteil einer lokalen Produktion mit minimalen Transportwegen. Der in diesem Rahmen stattfindende Gemüseanbau kann zudem in Zukunft einen Beitrag zur Ernährungssicherheit leisten. Über ein Netzwerk kleiner Gärten oder der Anbau auf den Dächern trägt die urbane Landwirtschaft durch Begrünung zu einer Regulierung des Stadtklimas und einer Erhöhung der Biodiversität in der Stadt bei. Städtische Anbauprojekte sind außerdem bedeutsam für die Umweltbildung und ein soziales Miteinander.

Wir verweisen auf das Grundsatzpapier der NAJU sowie die anderen Positionspapiere der NAJU und auf die Positionen des NABU (Naturschutzbund Deutschland) e.V..

 

Fußnoten:

[1] Umweltbundesamt: Struktur der Flächennutzung: https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/flaeche/struktur-der-flaechennutzung, aufgerufen am 20.09.2024.

[2] IPCC (2023): Summary for Policymakers. In: Climate Change 2023: Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Core Writing Team, H. Lee and J. Romero (eds.)]. IPCC, Geneva, Switzerland, pp. 1-34, https://doi.org/10.59327/IPCC/AR6-9789291691647.001, aufgerufen am 20.09.2024.

[3] Boenigk, Jens (Hrsg.) (2021): Boenigk, Biologie. Der Begleiter in und durch das Studium. 1. Aufl. 2021. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg.


[4] Yang, G., Ryo, M., Roy, J., Hempel, S. and Rillig, M.C. (2021): Plant and soil biodiversity have non-substitutable stabilising effects on biomass production. Ecology Letters, 24: 1582-1593. https://doi.org/10.1111/ele.13769, aufgerufen am 20.09.2024.


[5] Seibold, S., Gossner, M.M., Simons, N.K. et al. (2019): Arthropod decline in grasslands and forests is associated with landscape-level drivers. Nature 574, 671–674.

 

[6] BirdLife International (2022): State of the World’s Birds 2022: Insights and solutions for the biodiversity crisis. Cambridge, UK: BirdLife International.


[7] Becker, N., Muchow, T., Schmelzer, M. & Oppermann, R. (2023): AgrarNatur-Ratgeber – Arten erkennen - Maßnahmen umsetzen – Vielfalt bewahren – Klima schützen (Hrsg. Stiftung Rheinische Kulturlandschaft), Bonn.

[8] Naturschutzbund Deutschland (2021): Minimierung des Pestizideinsatzes in Deutschland. Positionspapier. Online: https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/landwirtschaft/pestizidpolitik/210-414-pestizid-position-nabu.pdf, aufgerufen am 20.09.2024.

[9] Deutscher Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFAF) e.V. (2022): Agroforstwirtschaft - die Kunst, Bäume und Landwirtschaft zu verbinden. Online: https://agroforst-info.de/wp-content/uploads/2022/12/2022_DeFAF_Broschuere_3-web.pdf, aufgerufen am 20.09.2024. 


[10] https://www.praxis-agrar.de/pflanze/ackerbau/agroforstwirtschaft, aufgerufen am 21.08.2024.


[11] https://www.umweltbundesamt.de/themen/landwirtschaft/umweltbelastungen-der-landwirtschaft/bodenbearbeitung#einfuhrung, aufgerufen am 21.08.2024.


[12] https://www.bmz.de/de/service/lexikon/bodendegradation-14120, aufgerufen am 21.08.2024.


[13] Montgomery DR and Biklé A (2021): Soil Health and Nutrient Density: Beyond Organic vs. Conventional Farming. Front. Sustain. Food Syst. 5:699147. https://doi.org/10.3389/fsufs.2021.699147, aufgerufen am 20.09.2024.


[14] https://www.bpb.de/themen/globalisierung/welternaehrung/192384/die-bedrohungen-der-ernaehrungssicherheit/#node-content-title-1, aufgerufen am 21.08.2024.


[15]  Poeplau, Christopher & Don, Axel (2015): Carbon sequestration in agricultural soils via cultivation of cover crops – A meta-analysis. In: Agriculture, Ecosystems & Environment, Volume 200, Pages 33-41, online unter: https://doi.org/10.1016/j.agee.2014.10.024, aufgerufen am 22.09.2024.

[16] https://www.stmelf.bayern.de/mam/cms01/landentwicklung/dateien/01_auerswald_vormittags_neu.pdf,  S.5, S.21, aufgerufen am 22.09.2024.

[17] https://www.lebendigeerde.de/index.php?id=portrait_123, aufgerufen am 20.09.2024.


[18] BfN: Studie zur Auswirkung des Verordnungsentwurf der EU-Kommission zu neuen genomischen Techniken in Bezug auf Pflanzen in der Entwicklung: https://www.bfn.de/aktuelles/studie-zur-auswirkung-des-verordnungsentwurf-der-eu-kommission-zu-neuen-genomischen, aufgerufen am 21.08.2024.

 


[19] FAQs zu den Neuen Gentechniken. Online: https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/nachhaltiges-wirtschaften/biooekonomie/gentechnik/30649.html, aufgerufen am 21.08.2024.


[20] Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.) (2022): Gentechnik, Naturschutz und biologische Vielfalt. Grenzen der Gestaltung. Positionspapier. Bonn. Online: https://www.bfn.de/sites/default/files/2022-10/2022-gentechnik-naturschutz-biologische-vielfalt-bfn.pdf, aufgerufen am 20.09.2024.


[21] Umweltbundesamt (2021): Ammoniakemissionen in der Landwirtschaft mindern - Gute Fachliche Praxis.


[22] Richardson et al. (2023): Earth beyond six of nine planetary boundaries.


[23] Capdevila-Cortada, M. (2019): Electrifying the Haber–Bosch. Nat Catal 2, 1055.

[24] https://www.naju.de/über-uns/positionen/erneuerbare-energien-2/, aufgerufen am 21.08.2024.

[25] Umweltbundesamt (2024): Beitrag der Landwirtschaft zu den Treibhausgas-Emissionen. Online: https://www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/beitrag-der-landwirtschaft-zu-den-treibhausgas#treibhausgas-emissionen-aus-der-landwirtschaft, aufgerufen am 21.08.2024.

[26] Naturschutzbund Deutschland (2023): Es geht: Wie wir unsere Ernährung sichern und gleichzeitig die Natur und das Klima schützen können. NABU-Statement basierend auf einer CAPRI-Modellierungsstudie. Online: https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/landwirtschaft/230113-nabu_flaechennutzungsstudie.pdf, aufgerufen am 20.09.2024.

[27] Heinricht-Böll-Stiftung (2020): Agrar-Atlas: Daten und Fakten zur europäischen Landwirtschaft. Online: https://www.boell.de/sites/default/files/2022-01/Boell_agraratlas2019_III_V01_kommentierbar_0.pdf, aufgerufen am 22.09.2024.

[28] Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) (2021): Faire Erzeuger*innenpreise in der Landwirtschaft. Online: https://www.bund.net/service/publikationen/detail/publication/faire-erzeugerinnenpreise-in-der-landwirtschaft/, aufgerufen am 22.09.2024.

[29] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/953408/umfrage/pachtpreise-fuer-landwirtschaftlich-genutzter-flaechen-in-deutschland/, aufgerufen am 21.08.2024. 

[30] Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. (2023): Agrarstrukturgesetze: Eigentumsvielfalt erhalten und bäuerliche Betriebe sichern. Positionspapier zur Regulierung des Bodenmarktes. online unter: 2023_Positionspapier_Agrarstrukturgesetze_web.pdf (abl-ev.de), aufgerufen am 20.09.2024.

[31] https://www.abl-ev.de/apendix/news/details/gemeinwohlorientierte-verpachtung, aufgerufen am 21.08.2024.

[32] Tölle, von Rechenberg, Mühling (2022): Studie zur Einführung einer progressiven Grunderwerbsteuer zur Regulation des landwirtschaftlichen Bodenmarkts im Zusammenspiel mit weiteren Instrumenten - Rechtstechnische Umsetzbarkeit, online unter: https://www.abl-ev.de/fileadmin/user_upload/Studie_prog._Grunderwerbsteuer_einseitig_2022_03_10., aufgerufen am 20.09.2024. 

[33] Umweltbundesamt (2023): UBA empfiehlt 0% MwSt. auf pflanzliche Grundnahrungsmittel: https://www.umweltbundesamt.de/uba-empfiehlt-0-mwst-auf-pflanzliche, aufgerufen am 21.08.2024.

[34] https://www.bundestag.de/resource/blob/689794/f9a81939f03094a07ff4dfc2e492085a/W-5-020-20-pdf-data.pdf, aufgerufen am 21.08.2024.

[35] Bio, öko, regional: Welche Bio-Siegel wirklich bio sind: https://www.bund.net/massentierhaltung/haltungskennzeichnung/bio-siegel/, aufgerufen am 21.08.2024.

 

[36] Urban Farming: So sinnvoll sind Gemüse und Obst vom Dach: https://www.quarks.de/umwelt/landwirtschaft/so-sinnvoll-ist-gemuese-und-obst-vom-dach/, aufgerufen am 21.08.2024.

 

[37] Vertical Farming – Landwirtschaft in der Senkrechten: https://www.landwirtschaft.de/wirtschaft/beruf-und-betrieb/trends-und-innovationen/vertical-farming-landwirtschaft-in-der-senkrechten, aufgerufen am 21.08.2024.

 

[38] Aquaponik – Fisch- und Pflanzenzucht unter einem Dach: https://www.landwirtschaft.de/wirtschaft/beruf-und-betrieb/trends-und-innovationen/aquaponik-fisch-und-pflanzenzucht-unter-einem-dach, aufgerufen am 21.08.2024.

Beschlossen auf der Bundesdelegiertenversammlung der NAJU am 22. September 2024 in Bremen.

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