Windkraftanlagen sowohl im Meer (Offshore) als auch an Land (Onshore) sind für den Erfolg der Energiewende in Deutschland und das Erreichen der aus
wissenschaftlicher Sicht notwendigen Klimaziele unabdingbar. Zugleich stellen der Bau und der Betrieb eine große Belastung und einen erheblichen Eingriff in die Natur dar. Bei Betrachtung der zu
erwartenden Folgen des Klimawandels, scheint es erforderlich, den Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich zu beschleunigen und Ausnahmen von Naturschutzkriterien vermehrt zuzulassen.
Der NAJU ist der Zwiespalt zwischen Natur- und Klimaschutz in der Debatte um den Ausbau von Windkraftanlagen bewusst. Sie berücksichtigt bei der Beurteilung und der
Argumentation folgende Leitlinien:
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Die Festlegung der künftig benötigten Energiemengen und die damit einhergehende Aufteilung auf die unterschiedlichen Erzeugungsformen muss bedarfsorientiert,
nachvollziehbar und auf wissenschaftlicher Basis erfolgen.
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Es braucht zwischen Bund und Ländern eine verbindliche Vereinbarung über die benötigten Energiemengen und die Größe der zur Erzeugung von Windenergie benötigten
Flächen. Es wird davon ausgegangen, dass ein Anteil von 2% der nationalen Landfläche ausreicht, um den Platzbedarf zur Erzeugung von Windenergie zu decken.
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Die Planung und Ausweisung von geeigneten Flächen als Vorrang- bzw. Eignungsgebiete zur Energieerzeugung aus Windkraftanlagen muss auf übergeordneter
Landesebene - in Zusammenarbeit mit der Regionalebene - erfolgen.
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Um den benötigten Zubau an Windkraftanlagen und somit die nationale Energiewende zu schaffen, ist es notwendig, die Gefährdung von Arten durch Windkraftanlagen,
sofern unionsrechtlich zulässig, bei den Genehmigungsverfahren stärker anhand der Gefährdung der gesamten Population in Deutschland und weniger anhand einzelner Individuen zu
beurteilen.
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Dichtezentren bzw. Schwerpunktvorkommen windenergiesensibler Vogelarten müssen als Ausschlussgebiete für Windkraftanlagen berücksichtigt werden. Ergänzend
müssen zusätzliche Schutzmaßnahmen, wie beispielsweise landesweite Artenhilfsprogramme, für windkraftsensible Arten umgesetzt werden. Nur dadurch wird es möglich, vermehrt
artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigungen für Windeignungsgebiete zu erteilen.
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Entsprechende Abweichungen vom sogenannten individuellen Tötungsverbot sollen weiterhin nach den in § 45 BNatSchG formulierten Kriterien erfolgen. Es braucht
dahingehend keine Anpassung bzw. Änderungen des Gesetzes.
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Für die Feststellung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos von windkraftsensiblen Arten an Windkraftanlagen müssen die „Abstandsempfehlungen für
Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten“ der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW 2015, „Helgoländer Papier“)
angewendet werden. In Bezug auf die Auswirkungen auf Fledermäuse ist der "Leitfaden für die Berücksichtigung von Fledermäusen bei Windenergieprojekten" (UNEP/EUROBATS 2014) zu beachten.
Darüber steht nur der aktuelle wissenschaftliche Stand sowie die aktuelle Rechtsprechung.
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Sofern technisch möglich und fachlich sinnvoll, sind bei der Errichtung und dem Betrieb Vorrichtungen nach dem jeweils aktuellen Stand der Technik zu
berücksichtigen, die die negativen Auswirkungen auf betroffene Arten minimieren (z.B. Abschalt-Automatismen). Die Weiterentwicklung und Implementierung dieser Techniken sollen gefördert
werden.
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Die Identifizierung neuer Flächen als mögliche Standorte von Windkraftanlagen wird begrüßt. Bei der vermehrten Ausweisung von Waldflächen als
Windeignungsgebiete ist darauf zu achten, dass es sich um Gebiete handelt, die aufgrund ihrer forstwirtschaftlichen Nutzung einen verhältnismäßig geringen Beitrag zum Natur- und Umweltschutz
leisten. Zugleich müssen artenreiche Natur- und Mischwälder als Flächen ausgeschlossen werden
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Flächen, die aufgrund ihrer Eigenschaften vorrangig dem Naturschutz dienen, sind abhängig von ihrem Schutzzweck als Windeignungsgebiet auszuschließen. Dies
bedeutet, dass beispielsweise in Nationalparks, Naturdenkmälern, Kernzonen von Biosphärenreservaten und den Gebieten des sogenannten Natura-2000-Netzwerks sowie weiteren Gebieten mit
internationaler Bedeutung keine Windkraftanlagen gebaut und betrieben werden dürfen.
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Für Offshore Standorte ist eine Prüfung des Tötungs- und Störungsverbotes nach § 44 BNatSchG erforderlich. Von der Ostsee als Standort für weitere
Windkraftanlagen ist aufgrund der Dichte an relevanten Lebensräumen für besonders schützenswerte Arten abzusehen.
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Zur Steigerung der Akzeptanz von Windkraftanlagen ist es hilfreich, dass betroffene Bürger*innen und Kommunen beispielsweise durch eine Windprämie oder die
Bildung von Genossenschaften am wirtschaftlichen Gewinn des Betriebs einer Windenergieanlage beteiligt werden.
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Pauschale Abstandsregelungen zur Wohnbebauung (wie derzeit in einigen Bundesländern vorgesehen) sollen abgeschafft werden, um den Flächendruck zu reduzieren und
genügend Flächen für den naturverträglichen Ausbau der Windenergie vorzuhalten. Abstände zwischen Windkraftanlagen und Wohnbebauung ergeben sich aus der
Bundesimmissionsschutzverordnung.
Beschlossen von der Bundesdelegiertenversammlung der NAJU am 25.09.2021