Seit Juni 2013 verhandelt die EU-Kommission mit Vertreter*innen der US-Regierung über die Transatlantische Handels-und Investitionspartnerschaft, kurz TTIP (engl.: Transatlantic Trade and Investment Partnership). Ein ähnliches Abkommen zwischen der EU und Kanada, das Umfassende Wirtschafts-und Handelsabkommen, kurz CETA (engl.: Comprehensive and Economic Trade Agreement) wurde von
2009 bis September 2014 verhandelt und muss nun noch ratifiziert werden.
Die geplanten Freihandelsabkommen greifen erheblich in die zukünftigen politischen und gesellschaftlichen Gestaltungsspielräume ein und gefährden eine gute und zukunftsweisende soziale und ökologische Entwicklung in Deutschland. Damit verändern die Freihandelsabkommen auch die Perspektiven junger Menschen.
1. transparente Verhandlungen unter Einbeziehung demokratisch legitimierter Akteur*innen und Veröffentlichung von
Verhandlungs(zwischen)ergebnissen;
2. die Sicherung von progressiven Umwelt-und Verbraucherschutzstandards, um eine Negativanpassung an die unterschiedlichen
Gesetzesvorgaben der Verhandlungspartner*innen zu verhindern;
3. den Schutz von regionalen Wirtschaftskreisläufen insbesondere im Bereich der bäuerlichen Landwirtschaft und des öffentlichen
Beschaffungswesens;
4. den Verzicht auf internationale Investor-Staats-Schiedsverfahren, um politische Gestaltungsspielräume nicht zu Gunsten großer
Unternehmen zu beschneiden;
5. den Schutz von öffentlichen Dienstleistungen, damit elementare Bereiche wie Bildung und Wasserversorgung nicht bzw. nicht weiter
liberalisiert werden;
6. die Regulierung und Ökologisierung des internationalen Finanzsektors anstatt einer weiteren Deregulierung im Zuge der
Freihandelsabkommen;
7. internationale Solidarität und Kooperation mit Ländern des globalen Südens anstatt einer Verschärfung der bestehenden Ungleichheiten;
8. die Sicherung von Arbeits-und Menschenrechten, um eine Negativanpassung an die unterschiedlichen Gesetzesvorgaben der
Verhandlungspartner*innen zu verhindern.
Zu 1. Transparenz:
Statt Geheimverhandlungen braucht es eine breite öffentliche Diskussion um ein soziales und ökologisches Verhandlungsmandat auf beiden Seiten. Hierzu müssen umfassende und aktuelle Informationen und der vollständige Einblick in alle Verhandlungsdokumente für die Öffentlichkeit und Parlamente gewährleistet sein. Der Einfluss von Wirtschaftslobbyisten muss zurückgedrängt werden.
Zu 2. Umwelt-und Verbraucherschutzstandards:
Da durch die alleinige Senkung/Abschaffung von Zöllen kaum 35mehr Gewinnsteigerungen möglich sind, wird es in weiten Teilen der Abkommen um die Angleichung von Standards gehen. Dabei steht zu befürchten, dass eine Anpassung „nach unten“ vorgenommen wird. Die strengeren europäischen Standards sind jedoch nicht verhandelbar. Sie dürfen wederabgesenkt noch durch eine gegenseitige Anerkennung US-amerikanischer und europäischer Standards unterlaufen werden. Zudem ist eine umfassende Kennzeichnungspflicht von Inhaltsstoffen und Herstellungs-und Behandlungsmethoden zwingend –auch für verarbeitete Produkte.
Zu 3. Regionales Wirtschaften:
Mit TTIP und CETA wären auch europäische Regelungen zum nachhaltigen oder regionalen Beschaffungswesen gefährdet. Die eigene Region gezielt zu stärken oder soziale und ökologische Ziele zu berücksichtigen, muss weiterhin möglich bleiben. Insbesondere braucht eine bäuerliche und zukunftsfähige Landwirtschaft ein faires Handelssystem, das die Interessen von Bäuerinnen und Bauern berücksichtigt und nicht die Interessen der Agrarindustrie bedient.
Zu 4. Internationale Investor-Staats-Schiedsverfahren:
Die als „Investitionsschutz“ verkaufte Sondergerichtsbarkeit, bei der Konzerne Staaten außerhalb des normalen juristischen Weges verklagen können, bedroht die Unabhängigkeit unserer Demokratie. Wenn Regierungen und Parlamente aus Angst vor Schadenersatzansprüchen auf notwendige und gewollte Regelungen und Gesetze etwa zu Umwelt-, Klima-und Arbeitsschutz verzichten, entspricht dies nicht unserem demokratischen Grundverständnis. Bereits heute führen internationale Schiedsverfahren dazu, dass Umweltvorgaben -beispielsweise im Fall des Kohlekraftwerks Moorburg in Hamburg -gesenkt wurden.
Zu 5. Schutz öffentlicher Dienstleistungen:
Die vorgesehene Öffnung der Märkte im Dienstleistungssektor droht, öffentliche Beschaffung, Gesundheitswesen, Wasserversorgung und Bildung noch stärker zu liberalisieren. Dadurch könnte die öffentliche Daseinsvorsorge noch weiter privatisiert werden, verbunden mit Kostensteigerungen für Verbraucher*innen, Ausdünnung der Angebotsvielfalt, Qualitätsverlust und Gewinnmaximierung von Großkonzernen. Damit droht auch eine Einschränkung des Zugangs und der Teilhabemöglichkeiten junger Menschen in vielen Lebensbereichen.
Zu 6. Ökologisierung des Finanzsektors:
Die Deregulierung der Finanzmärkte und ökonomische Ungleichgewichte innerhalb der EU infolge von Lohnkonkurrenz sind eine wesentliche Ursache der europäischen Wirtschaftskrise. Mit TTIP und CETA sollen Finanzdienstleistungen noch weiter dereguliert werden. Die politische Macht der Finanz-66industrie würde gestärkt, Lohn-und Steuerdumping und damit sinkende Einnahmen der öffentlichen Haushalte wären die Folge.
Zu 7. Internationale Solidarität und Kooperation:
Die Schaffung der durch TTIP und CETA beabsichtigten weltgrößten Freihandelszone erhöht den Wettbewerbsdruck auf Entwicklungs-und Schwellenländer. Somit besteht die Gefahr, dass durch die Freihandelsabkommen bestehende globale Ungerechtigkeiten verschärft und Bemühungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zunichte gemacht werden.
Zu 8. Arbeits-und Menschenrechte:
Gewerkschaften beklagen Arbeitsplatzverluste in der Industrie, sinkende Löhne, Unterlaufen vor Arbeitsmindeststandards und wachsende Einkommensunterschiede als Folge des Freihandels, indem Arbeitsstandards an das jeweils niedrigere Niveau angeglichen werden. In der EU sind Massenarbeitslosigkeit, Druck auf Löhne und die Ausweitung prekärer Beschäftigung die Folgen schwacher Sozialstandards im liberalisierten Binnenmarkt. Dies ist kein Modell für eine transatlantische Freihandelszone
Beschlossen auf der Bundesvorstandssitzung der NAJU am 12. April 2015 in Köln.