Kinder und junge Erwachsene als Vertreter*innen der zukünftigen Generationen werden noch am längsten mit den Auswirkungen der politischen Entscheidungen und den daraus resultierenden Folgen für Mensch und Umwelt leben müssen. Damit geht einher, dass ihre Forderungen und Anliegen von der Politik im Rahmen der Bundestagswahl 2021 und der anschließenden Regierung in der folgenden Legislaturperiode entsprechend gewichtet werden müssen.
Die NAJU (Naturschutzjugend im NABU) begleitet den Wahlkampf zur Bundestagswahl 2021 kritisch und vertritt als Jugendverband die Forderungen von Kindern und Jugendlichen. Die Notwendigkeit eines entschlossenen politischen Handelns wächst genauso wie die Hoffnung, dass in der kommenden Legislaturperiode durch entschlossenes Handeln die Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte endlich wettgemacht
werden.
... im Bereich der sozial-ökologischen Transformation:
... zur Stärkung der Kinder-und Jugendbeteiligung:
... zur Bekämpfung der Klimakrise:
... im Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung:
... zum Schutz der Biodiversität:
... im Mobilitätssektor:
... zum Ressourcenschutz:
Sozial-ökologische Transformation
Die Herausforderungen vor denen unsere Gesellschaft steht, sind immens. In der politischen Debatte sprechen wir unter anderem von der Notwendigkeit einer Agrarwende, Mobilitätswende, Energiewende, Rohstoffwende, der Bekämpfung der Klimakrise und vom Stoppen des Biodiversitätsverlustes. Unsere Überzeugung ist es, dass diese Krisen und benötigten Reformen nur zusammen im Rahmen einer sozial-ökologischen Transformation bewältigt werden können. Daher fordern wir, dass die Transformation hin zu einer sozial-ökologischen Gesellschaft ins Zentrum politischen Handelns gerückt wird. Ein Impuls in diese Richtung müssen die Wirtschaftshilfen sein, die zur Bewältigung der Corona-Pandemie aufgewendet werden. Reformen dürfen nicht weiterhin durch Ressortgrenzen und Meinungen einzelner Minister*innen verhindert werden.
Die Frage, in welcher Umwelt wir und unsere Kinder zukünftig leben wollen, bedarf der größten Aufmerksamkeit und hat einen übergeordneten Stellenwert. Zentral dafür ist, dass bei allen politischen oder wirtschaftlichen Handlungen die Bedeutung von Natur und Umwelt angemessen berücksichtigt wird. Zukünftig müssen Wirtschaftsentscheidungen - anders als bisher - mit Blick auf die kurz- und langfristigen Folgen für Natur und Umwelt getroffen werden. Auch der positive Einfluss von Ökosystemdienstleistungen muss in wirtschaftliche und politische Betrachtungsweise einfließen. Ein gemeinwohlorientiertes Wirtschaftssystem kann die steigende soziale Ungerechtigkeit und das Auseinanderdriften der Gesellschaft überwinden. Die Wirtschaft und die Globalisierung müssen sozial wie ökologisch gerecht gestaltet werden, sodass alle Akteur*innen partizipieren können. Durch ein neues, von ökologischen und sozialen Kriterien geprägtes, gemeinwohlorientiertes Wohlstandsmodell kann die gesamte Gesellschaft profitieren und durch Umverteilung der soziale Frieden gesichert werden.
Kinder-und Jugendbeteiligung
Ausschlaggebend für die Vertretung und Berücksichtigung der Interessen von Kindern, Jugendlichen und jungen Menschen in der Politik ist es, ihnen als Entscheidungsträger*innen zuzuhören und sie bei politischen Handlungen mitentscheiden und mitgestalten zu lassen. Eine wichtige Voraussetzung für die Beteiligung von jungen Menschen ist, dass ihr ehrenamtliches Engagement wertgeschätzt wird und sie als Teil des demokratischen Systems ernst genommen werden. Reale, niedrigschwellige, langfristige und vielfältige Partizipationsmöglichkeiten werden benötigt, deren Ergebnisse sich auch tatsächlich in politischen Entscheidungen und Maßnahmen niederschlagen.
Kinder-und Jugendverbände tragen maßgeblich zu unserer demokratischen und vielfältigen Gesellschaft bei, da junge Menschen hier ihre eigenen Ideen verwirklichen und demokratische Strukturen erfahren können. Zudem sind sie ein wichtiger Bestandteil der außerschulischen Bildung. Kinder-und Jugendverbände benötigen daher eine sichere, finanzielle Förderung sowie eine Beteiligung von Jugendverbandsvertreter*innen, die legitimiert sind, die Interessen einer großen Gruppe junger Menschen zu repräsentieren.
Darüber hinaus ist es essenziell, dass das Wahlalter abgesenkt wird. Kurzfristig muss eine Wahlentscheidung auf Bundesebene ab 16 Jahren möglich sein, langfristig ist das Recht auf einen selbstbestimmten Eintritt in das demokratische System mit einer Abschaffung des Wahlalters anzustreben. Die junge Generation wird bei politischem Handeln häufig übergangen und Menschen unter 18 Jahren können nicht durch Wahlen ihre Meinung äußern. Durch die Absenkung des aktiven Wahlalters auf 0 Jahre bekommt auch die Stimme der jungen Generation das politische Gewicht, welches ihr zusteht. Es ist enorm wichtig hier eine Generationengerechtigkeit zu schaffen und die Diskriminierung der jungen Generation aufgrund ihres Alters aufzuheben. Es ist nicht möglich, die Mündigkeit einer Person allein am Alter festzumachen.
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Zur Bewältigung der Sozial-ökologischen Transformation braucht es die Bereitschaft und den Willen jedes Einzelnen. Grundvoraussetzung dafür ist ein Bildungssystem, das Menschen im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) zu einem zukunftsfähigen Denken und Handeln befähigt sowie sich und andere dazu motiviert, gesellschaftlich und politisch aktiv zu werden, um die sozial-ökologische Transformation zu gestalten. Die zukünftige Bundesregierung muss sich stärker als bisher dafür einsetzen, Bildung für nachhaltige Entwicklung in allen Bildungsbereichen strukturell zu verankern. Dazu gehört, den Bildungsbereich mit ausreichend Ressourcen auszustatten, damit Lern-orte ihre Mitarbeitenden qualifizieren und ihre Institution ganzheitlich nachhaltig gestalten können. In Bezug auf die Digitalisierung ist es wichtig, eine persönliche Lehr-und Lernkultur beizubehalten, eine Technikfolgenabschätzung zu berücksichtigen und den Lernorten digitale Angebote zu bieten, die unabhängig von privatwirtschaftlichen Unternehmen sind. Die Digitalisierung muss so gestaltet werden, dass sowohl Chancengleichheit als auch ökologische Standards berücksichtigt werden.
Klima und Energie
Zur Bewältigung der Klimakrise müssen den vielen Versprechungen und Ankündigungen endlich Taten folgen. Nach wie vor sind unsere Politik und unser wirtschaftliches Handeln nicht vereinbar mit dem aus wissenschaftlicher Sicht notwendigen Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen. Die von der Klimakrise ausgehende Bedrohung für die Menschheit ist bewiesen und ebenso, dass sie aus unserem umweltschädigenden Verhalten resultiert und wir daher globale Verantwortung tragen. Es braucht weitreichende Maßnahmen, um das von Deutschland ratifizierte Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten.
Wir fordern, das Bundes-Klimaschutzgesetz und die damit verbundenen Sektorenziele schnell und drastisch zu verschärfen. Wir brauchen eine durch inländische Maßnahmen erreichte Klimaneutralität bis spätestens 2040. Um dies schnell und ressourcenschonend zu schaffen, muss der Energieverbrauch gesenkt werden. Wir fordern, dass staatliche Subventionen für fossile Energieträger abgebaut werden, um Anreize zum Energiesparen zu schaffen. Es bedarf sowohl einer höheren Effizienz als auch Suffizienz und die Einbeziehung aller Sektoren, also auch der Mobilität und der Landwirtschaft.
Zudem braucht es eine entschlossene, ambitionierte sowie natur-und sozialverträgliche Energiewende mit weitgehenden Maßnahmen und Prozessen. Dazu gehört der frühestmögliche Ausstieg aus der Kohleverstromung bis spätestens 2030 sowie eine generelle Abkehr von fossilen Energieträgern bis in die frühen 2040er Jahre. Erneuerbare Energieträger - insbesondere Windkraft und Photovoltaik - müssen im Gegenzug ambitioniert und naturverträglich ausgebaut werden. Bis spätestens 2035 muss der Primärenergiebedarf vollständig durch erneuerbare Energien gedeckt werden, dazu ist es notwendig, dass der Anteil erneuerbarer Energien bis 2030 auf 80 Prozent heranwächst.
Einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten auch natürliche Kohlenstoffsenken. Moore und Mischwälder sind nicht nur wertvolle Lebensräume für Tiere und Pflanzen, sie binden auch große Mengen CO2. Dementsprechend müssen sie erhalten und die Renaturierung von Moorflächen sowie der naturnahe Umbau von Waldflächen gefördert werden. Auf internationaler Ebene muss Deutschland zu den Ländern gehören, die den richtigen Takt vorgeben. Es muss einen entschiedenen Beitrag zur Finanzierung von Schäden und Anpassungen an den Klimawandel geben und zugleich Druck auf andere Länder ausgeübt werden, die nationalen Klimaschutzziele und die damit einhergehenden Maßnahmen zu verschärfen. Länder mit zu hohen Pro-Kopf Emissionen müssen ihrer globalen Verantwortung gerecht werden.
Biodiversität
Der vom Bundesamt für Naturschutz im Jahr 2020 vorgelegte Bericht zur Lage der Natur in Deutschland bestätigt die von Naturschützer*innen und Biolog*innen skizzierte ernste Lage des Biodiversitätsverlustes und den damit einhergehenden Auswirkungen auf unsere zukünftige Lebensweise. Wir fordern Gesetze zum Schutz der Biodiversität. Deutschlandmuss sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass die beschlossene Gemeinsame Agrarpolitik zurückgenommen und neu verhandelt wird. Nur so ist eine echte Agrarwende möglich. Auf nationaler Ebene muss der Staat einen Rahmen schaffen, in dem Landwirt*innen ohne Existenzängste ökologisch wirtschaften können. Finanzielle Förderungen müssen denen zugutekommen, die mit ökologischer Landwirtschaft zu Natur-und Umweltschutz beitragen. Gleichzeitig müssen Lebensmittelkonzerne und Verbraucher*innen stärker in die Pflichtgenommen werden.
Neben einer anderen Wirtschaftsweise der Agrarindustrie, ist für die Bekämpfung des Biodiversitätsverlustes der Schutz von Lebensräumen essenziell. Das Ziel der Bundesregierung, den Flächenverbrauch für Siedlungs-und Verkehrsflächen von 60ha auf 30ha pro Tag bis 2020 zu senken, ist gescheitert. Umso größere Kraftanstrengungen braucht es nun, um den weiteren Flächenverbrauch auf ein Minimum zu reduzieren. Gesetzeslücken, die dafür missbraucht werden, Umweltstandards bei Neubauten zu umgehen, gehören geschlossen. Infrastrukturprojekte, die einen hohen Flächenverbrauch haben und nur einem Teil der Gesellschaft zur Verfügung stehen, wie z.B. der Neubau von Autobahnen, müssen gestoppt werden. Dabei dürfen wirtschaftliche und persönliche Interessen genauso wenig im Vordergrund stehen, wie das Festhalten an veralteten Vorhaben.
Für die internationale Ebene fordern wir, dass die Bundesregierung nicht nur die bereits gesteckten Ziele der UN-Biodiversitätskonvention (CBD) konsequent umsetzt, sondern in der Entwicklung und Umsetzung weiterer Schutzziele für den Zeitraum bis mindestens 2050 auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene eine Vorreiterrolle übernimmt. Diese Ziele sollten in Ambition und Relevanz mit den Pariser Klimazielen vergleichbar sein.
Mobilität
Der Mobilitätssektor muss sich grundlegend verändern, um sowohl sozialer als auch umweltfreundlicher zu werden. Wir fordern, dass in der kommenden Legislatur durch ein Bundesmobilitätsgesetz die Voraussetzungen für eine nachhaltige Mobilitätswende geschaffen werden und die bisherige Priorisierung des motorisierten Individualverkehrs ein Ende hat. Der motorisierte Individualverkehr muss auf ein Minimum reduziert werden, um die Lebensqualität der Menschen zu steigern und die umweltschädlichen Emissionen drastisch zu reduzieren. Die umweltfreundlichen Alternativen müssen dagegen mittels hoher Investitionen stark ausgebaut werden. Dies beinhaltet den Ausbau der Infrastruktur für Fahrrad-und Fußverkehr, auch im ländlichen Raum.
Der öffentliche Verkehr muss durch gezielte Investitionen in den Flotten-und Netzausbau von Bahn, Bus, Straßenbahn und Fähren erheblich gestärkt werden, um zugleich Ticketpreise deutlich zu reduzieren und die Qualität und den Service zu steigern. Der Güterverkehr muss verstärkt wieder über die Schiene abgewickelt werden oder durch eine Schifffahrt, die auf nachhaltige Antriebsformen setzt. Der Flugverkehr, gerade im Kurz-und Mittelstreckenbereich, schadet dem Klima und muss drastisch reduziert werden. Durch Investitionen in den nationalen und europäischen Schienenverkehr können viele Flugverbindungen überflüssig gemacht werden. Bei verbleibenden Verbindungen muss der Ticketpreis die Klimafolgekosten berücksichtigen.
Ressourcenschutz
Die Ressourcen auf unserem Planeten sind endlich, doch ihr Verbrauch steigt immer weiter an. Durch den Raubbau an Ökosystemen, die fehlende Wiederverwertung und die ungerechte Verteilung von Rohstoffen sowie die falsche Entsorgung von Abfällen entstehen zahlreiche ökologische sowie soziale Probleme. Wir fordern daher eine ambitionierte Rohstoffwende, das heißt einen systematischen Ansatz zum Ressourcenschutz und die Abkehr von vorherrschenden Produktions-und Konsummustern hin zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft, in der Abfallvermeidung, nachhaltige Wertschöpfung und Kreislaufwirtschaft gelebt werden. Durch die Förderung langlebiger Produkte inklusive einem „Recht auf Reparatur“, einem Ausbau von Pfandsystemen sowie Investitionen in ressourcensparende Innovationen und Recyclinginfrastruktur können Abfälle vermieden, Rohstoffe wiederverwertet und Ressourcen geschont werden. Nicht zwingend notwendige Einwegartikel müssen verboten sowie Beratungs-und Bildungsangebote im Bereich Ressourcenschutz gefördert werden.
Beschlossen durch den NAJU Bundesvorstand, am 17.04.2021
Wir verweisen auf die Positionen, Resolutionen und Offenen Briefe der NAJU unter: https://www.naju.de/über-uns/positionen