Die NAJU fordert ein dauerhaftes und bundesweit gültiges, kostengünstiges Nachfolgemodell zum 9€-Ticket mit der Möglichkeit dieses in naher Zukunft kostenlos zu machen. Gleichzeitig bedarf es enormer Investitionen in den Ausbau des ÖPNV, vor allem im ländlichen Raum, Investitionen in die Instandhaltung des beste-henden Netzes sowie in die Taktverdichtung und Angebotssteigerung.
Das 9€-Ticket war ein Erfolg und hat gezeigt, dass ein kostengünstiger, unkomplizierter Personennahverkehr möglich ist. Für eine umweltverträgliche Mobilitätswende ist ein günstiger bzw.
kostenloser ÖPNV wichtig, um so vielen Menschen die Nutzung des Umweltverbundes zu ermöglichen. Die Hürden bestehen vor allem in einem unübersichtlichen Tarifsystem und häufig hohen Preisen, die
dazu führen, das Auto oder Flugzeug als kostengünstigere Alternative zu nutzen. Mit dem 9 €-Ticket konnten diese Hürden überwunden werden und es wurde millionenfach angenommen. Leider hat es die
Bundesregierung versäumt, ein nahtloses Nachfolgemodell zu etablieren.
Wir fordern die Streichung umweltschädlicher Verkehrssubventionen, die laut Umweltbundesamt (UBA) im Jahr 2018 rund 30,822 Mrd. Euro betrugen.[2] Darunter fällt beispielsweise das Dienstwagenprivileg, die Vergünstigung von Dieselkraftstoffen sowie die Befreiung von Kerosin von der Energiesteuer.
Die NAJU fordert ein generelles Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen sowie die Einführung einer Regelgeschwindigkeit von 30 km/h innerorts [3]. Ein generelles Tempolimit von 120 km/h würde das Klima entlasten, da jährlich allein durch diese Maßnahme rund 2,6 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente eingespart würden [4]. Weiterhin würde die Anzahl und Schwere der Unfälle durch ein Tempolimit sinken. Ein Tempolimit kann zudem eine effektive Push-Maßnahme hin zu mehr ÖPNV darstellen.
Die Einführung einer Regelgeschwindigkeit von 30 km/h innerorts führt zu einem besseren, homogeneren Verkehrsfluss bei gleichzeitig nahezu zu vernachlässigenden Zeitverlusten. Dies führt zu einem
geringeren Kraftstoffverbrauch des motorisierten Verkehrs. Darüber hinaus steigert die Regelgeschwindigkeit von 30 km/h innerorts die Verkehrssicherheit und damit die Attraktivität für den
Fahrrad- und Fußgänger*innenverkehr.
Die NAJU fordert einen sofortigen Stopp aller Straßenneubauplanungen und ein Ende des Ausbaus von überörtlichen Straßenverbindungen. Zu einer Mobilitätswende gehört die Stärkung des Umweltverbundes, vor allem auch in seiner finanziellen Unterstützung. Durch den Straßenbau werden in Deutschland viele finanzielle Mittel gebunden. Der Bau von Straßen schafft zudem eine Stärkung des motorisierten Individual-verkehrs, die im Sinne einer Mobilitätswende nicht sinnvoll ist. Insbesondere der Straßenneubau zerstört Natur, zerschneidet Ökosysteme und führt zu einer fortwährenden Flächenversiegelung, die vor dem Hinter-grund des 30-ha-Ziels der Bundesregierung und einer anzustrebenden Flächenneutralität auch abzulehnen ist.
Die NAJU fordert einen massiven Ausbau und die Stärkung des Verkehrssystems Schiene sowohl für den öffentlichen Personennah- und Fernverkehr als auch für den Güterverkehr. Verkehr, der über die Schiene abgewickelt wird, ist in vielerlei Hinsicht umweltverträglicher als Straßenverkehr [5]. So verursachen Straßen-, S- und U-Bahnen je Person mit 55g/km CO2-Äquivalenten nur etwa 1/3 der durchschnittlichen Emissionen des PKW-Verkehrs von 154g/km CO2-Äquivalenten je Person. Würde der ÖPNV ausschließlich mit grünem Strom betrieben, würden die CO2-Emmissionen noch weiter sinken. Für den Transport einer Gütertonne werden je Kilometer mittels Güterbahn 16g CO2-Äquivalente freigesetzt, beim Transport via Binnenschiff mit 31g/tkm CO2-Äquivalente fast doppelt so viel und beim Transport via LKW mit 111g/tkm CO2-Äquivalente fast siebenmal so viele Treibhausgase freigesetzt. Zur gesteigerten Nutzung des Verkehrssystems Schiene bedarf es massiver Investitionen in die Digitalisierung, den Erhalt und den Ausbau der Infrastruktur.
Der ländliche Raum muss durch Streckenreaktivierungen und -neubauten wieder stärker an den Schienenverkehr angeschlossen und durch intelligente Lösungen wie Schnellbusse oder On-Demand-Dienste
ein attraktives ÖPNV-Angebot geschaffen werden. Gleichzeitig muss auch die ÖPNV-Infrastruktur und die Anbin-dung an lokale Zentren in Ballungsräumen verstärkt werden. Um den ÖPNV nachhaltig zu
gestalten, müssen alle Strecken zeitnah elektrifiziert und bis 2030 ausschließlich durch Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden. In Ballungszentren müssen lokale wie regionale Knoten
ausgebaut und deutlich mehr Kapazität geschaffen werden. Eine Stärkung muss zudem insbesondere dem Güterverkehr auf der Schiene zukommen.
Die NAJU fordert eine umweltverträgliche Umverteilung von Verkehrsflächen. Die bisherige Privilegierung des motorisierten Individualverkehrs muss überwunden werden. Daher braucht es künftig eine Bevorzugung von Fuß- und Radverkehr sowie des ÖPNV gegenüber dem motorisierten Individualverkehr. Gleichzeitig muss der Verkehrsbereich mit seiner intensiven Flächennutzung seiner Verantwortung einer sozialgerechten und nachhaltigen Gestaltung seiner Flächen nachkommen. Dies bedeutet insbesondere die verstärkte Einbettung und den Ausbau grüner und blauer Infrastruktur im Rahmen der Verkehrsflächenplanung. Verkehrsbegleitgrün muss dabei ökologisch gestaltet und bewirtschaftet werden.
Der Ausbau grüner und blauer Infrastruktur stellt dabei einen wichtigen Beitrag zur Klimaanpassung und zum Klimaschutz in Städten dar [6]. Sie kühlt das Mikroklima in Hitzephasen, reinigt die
Luft von Schadstoffen und speichert bei Starkregenereignissen Wasser. Daher sind vermehrt Städte und ihre Verkehrsachsen zu begrünen. Verkehrsflächen, wie Bahnanlagen und Straßenflächen, stellen
potenziell vielfältige Lebensräume dar, die naturnah gestaltet und bewirtschaftet werden sollen. Dazu gehören Verkehrsinseln und Baumscheiben, die mit Blühelementen und verminderter Mahd einen
positiven Effekt für die Umwelt erzielen können.
Wir weisen auf unsere weiteren Positionspapiere hin.
[1] Nationales Treibhausgasinventar 2021, Umweltbundesamt, 2020.
[2] Umweltschädliche Subventionen in Deutschland, Umweltbundesamt 2021.
[3] Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten, Deutscher Städtetag, 2021.
[4] Klimaschutz durch Tempolimit - Wirkung eines generellen Tempolimits auf Bundesautobahnen auf die Treibhausgasemissionen, M. Lange et al., Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau, 2020.
[5] Vergleich der durchschnittlichen Emissionen einzelner Verkehrsmittel, Umweltbundesamt, 2020.
[6] Grün in der Stadt – für eine lebenswerte Zukunft, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), Berlin, 2015.
Beschlossen auf der Bundesdelegiertenversammlung der NAJU am 24. September 2022 in Weimar.